Militaristisch, rechts, autoritär – von der Leyens neue EU-Kommission

Militaristisch, rechts, autoritär – das sind die Eigenschaften der neuen EU-Kommission, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Ursula von der Leyen im Europaparlament [Photo by European Union 2019 / CC BY 4.0]

Die Verantwortung für Außenpolitik und Verteidigung wird künftig bei Vertretern zweier baltischer Staaten liegen, in denen weniger als ein Prozent der EU-Bevölkerung leben, die aber für ihre hysterische Russlandfeindlichkeit bekannt sind. Die frühere estnische Regierungschefin Kaja Kallas wird neue Außenbeauftragte der EU und Vizepräsidentin der Kommission. Der frühere litauische Regierungschef Andrius Kubilius übernimmt den neu geschaffenen Posten des Kommissars für Verteidigung. Die Ernennung der beiden ist ein klares Signal, dass die neue Kommission den Krieg gegen Russland weiter eskalieren wird.

Die Süddeutsche Zeitung wertet „das baltisch-nordische Trio Kallas/Kubilius/Virkkunen“ als „gute Nachricht“ für die Ukraine und „eher eine schlechte“ für den Kreml. Die Finnin Henna Virkkunen ist als Vizepräsidentin der Kommission neben Digitalem auch für Sicherheit und Demokratie verantwortlich und wird eng mit Kubilius zusammenarbeiten. „Estland, Litauen und Finnland führen in der EU das Lager der Falken an, die einen kompromisslosen Kurs gegen Moskau vertreten und fordern, dass sich Europa auf eine militärische Auseinandersetzung mit Russland vorbereiten müsse,“ folgert die Süddeutsche.

Auch sonst hat von der Leyen den Einfluss osteuropäischer Staaten gestärkt, die eine führende Rolle im Krieg gegen Russland spielen. Der Pole Piotr Serafin wird neuer Haushaltskommissar. Die Rumänin Roxana Mînzatu erhält einen der fünf Vizepräsidentenposten und die Zuständigkeit für den Arbeitsmarkt und Soziales, die Slowenin Marta Kos für die EU-Erweiterung und die Kroatin Dubravka Šuica für die Mittelmeer-Region.

Eine Ausnahme bildet Ungarn, dessen Regierungschef Viktor Orbán als einziger in der EU gute Beziehungen zu Moskau unterhält. Anstatt wie bisher für die EU-Erweiterung ist der ungarische Kommissar zukünftig für Gesundheit und Tierschutz zuständig. Das ist nicht nur eine Degradierung, sondern zeigt auch, dass der Schutz der Bevölkerung vor Corona und anderen Pandemien in den Plänen von der Leyens keine Rolle spielt.

Insgesamt rückt die neue Kommission weit nach rechts. Mit Raffaele Fitto hat von der Leyen erstmals einen Rechtsextremen zum Vizepräsidenten der Kommission ernannt. Fitto ist ein enger Vertrauter der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni und Mitglied ihrer neofaschistischen Partei Fratelli d’Italia.

Obwohl er einen Schweif der Korruption hinter sich herzieht, erhält Fitto die Zuständigkeit für Regionalförderung und Reformen und damit für einen erheblichen Teil der EU-Ausgaben. 2009 war er wegen Amtsmissbrauch, Korruption und illegaler Parteienfinanzierung verurteilt worden. 2013 hatte ein Gericht in erster Instanz eine vierjährige Gefängnisstrafe gegen ihn verhängt, die dann höhere Instanzen nach und nach wieder aufhoben.

Fittos Ernennung hat vor allem unter sozialdemokratischen und grünen Europaabgeordneten Unruhe ausgelöst. Sie hatten die Wiederwahl von der Leyens mit der Begründung unterstützt, so ein Zusammengehen der Konservativen mit den Rechtsextremen zu verhindern. Melonis Abgeordnete hatten sich dagegen der Stimme enthalten. Auch die deutsche Regierung, eine Koalition von SPD, Grünen und Liberalen, hatte von der Leyen unterstützt, obwohl sie der oppositionellen CDU angehört, und auf die Nominierung eines eigenen Kandidaten für die Kommission verzichtet. Nun hat von der Leyen faktisch eine Koalition mit den Rechtsextremen geschlossen, und sie stehen entblößt da.

Der Fall Fitto beweist, dass die „Brandmauer“ oder der „Cordon sanitaire“ gegen die extreme Rechte leeres Gerede ist. Diese werden gebraucht, um die Kriegspolitik voranzutreiben, die sozialen Angriffe zu verschärfen und die Arbeiterklasse zu unterdrücken, einzuschüchtern und durch Flüchtlingshetze zu spalten.

Wenn von der Leyen einen Faschisten in eine Schlüsselposition der EU hievt, gibt es keinen Grund, weshalb das der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz – oder Bundeskanzler Olaf Scholz – nicht auch in Deutschland tun sollten. In Frankreich hat Präsident Macron diesen Schritt bereits vollzogen, indem er Michel Barnier zum Regierungschef ernannte, der auf die Stimmen des rechtsextremen Rassemblement National angewiesen ist.

Von der Leyen hat die ganze EU-Kommission auf sich zugeschnitten. 14 der 27 Kommissare gehören ihrer konservativen Europäischen Volkspartei an, die nur über 188 der insgesamt 720 Mandate im Europaparlament verfügt. Selbstständigere Köpfe, die nicht immer mit von der Leyen konform gingen, wie der niederländische Klimakommissar Frans Timmermans oder die dänische Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager, sind ausgeschieden.

Der französische Binnenmarktkommissar Thierry Breton, ein rechter Politiker, Geschäftsmann und Ökonom, der von Präsident Emmanuel Macron für eine weitere Amtszeit nominiert wurde, trat am Montag wutentbrannt zurück und beschuldigte von der Leyen öffentlich, sie habe Macron hinter seinem Rücken gedrängt, ihn „aus persönlichen Gründen“ durch einen anderen Kandidaten zu ersetzen. Macron deckte Breton nicht, sondern ernannte umgehend einen anderen Kandidaten – seinen engen Vertrauten und bisherigen Außenminister Stéphane Séjourné.

Der Fall Breton zeigt, wie angespannt die Beziehungen in der EU sind. Von der Leyens Bemühungen, die Kommission unter ihre persönliche Kontrolle zu bringen und so die deutsche Dominanz in Europa zu stärken, ruft unweigerlich Gegenreaktionen hervor.

Erst letzte Woche hat Deutschland unter Bruch des Schengen-Abkommens wieder umfassende Grenzkontrollen eingeführt, um Flüchtlinge abzuweisen, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können. Das hat von Seiten Polens, Österreichs und anderer Länder heftige Proteste ausgelöst und die Spannungen weiter verschärft.

Die EU-Kommission, die einen Jahreshaushalt von fast 300 Milliarden Euro verwaltet und über einen Stab von 60.000 Mitarbeitern verfügt, ist das Machtzentrum der Europäischen Union. Wichtigste Instanz ist zwar der Europäische Rat, dem alle Staats- und Regierungschefs angehören. Aber da sich diese selten einig sind, fällt der Kommission eine enorme Machtfülle zu.

Entsprechend komplex und undemokratisch ist der Prozess ihrer Ernennung, der sich vorwiegend hinter den Kulissen abspielt. Jedes Mitgliedsland hat Anrecht auf einen der 27 Kommissare und kann diesen selbst vorschlagen. Ihre Ernennung und vor allem die Verteilung der höchst unterschiedlich gewichteten Ressorts unterliegt aber der Kommissionspräsidentin, die sich mit den Regierungen abspricht, sie unter Druck setzt oder ihnen „unwiderstehliche Angebote“ macht.

Schließlich überprüfen die zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments die einzelnen Kommissare und das Parlament stimmt über den Gesamtvorschlag ab. Das wird voraussichtlich im Oktober der Fall sein. Da auch hier die verschiedensten nationalen und Parteiinteressen kollidieren, ist dies mit weiteren Deals und Absprachen verbunden. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Einfluss der 12.000 Lobbyisten, die in Brüssel registriert sind.

Dieses korrupte System dient den Interessen der großen Konzerne und Banken, die Interessen der Arbeiterklasse finden darin keinen Ausdruck. Sie muss sich von den Parteien und Gewerkschaften freimachen, die sich dem Diktat der EU unterordnen, sich grenzübergreifend zusammenschließen und für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa kämpfen.

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