Starmer und Meloni diskutieren den Krieg gegen Migranten und gegen Russland

Der britische Premierminister und Labour-Vorsitzende Keir Starmer reiste am Montag nach Rom zu einem, wie er es nannte, „fantastischen“ Treffen mit der italienischen Regierungschefin Georgia Meloni. Aus zwei Gründen ist die rechtsextreme Mussolini-Bewundererin für Starmer so interessant: Sie übernimmt im Namen der Europäischen Union eine führende Rolle bei den Angriffen auf Migranten und Flüchtlinge und wirbt für die Beteiligung der Nato am Krieg in der Ukraine.

Der britische Premierminister Keir Starmer trifft die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni zu einem bilateralen Treffen in der Villa Doria Pamphilj [Photo by Simon Dawson / No 10 Downing Street / CC BY-NC-ND 2.0]

Der Labour-Vorsitzende hat die Bekämpfung der Zuwanderung zu einem Kernstück seiner Regierung gemacht. Er reiste mit dem neu ernannten Leiter des Grenzsicherheitskommandos (BSC), dem ehemaligen Leiter des Nationalen Rates der Polizeichefs, Martin Hewitt, nach Italien. Starmer erklärte gegenüber Reportern, dass Hewitts „einzigartiges Fachwissen“ dazu beitragen würde, „unsere Küsten zu schützen und Ordnung in das Asylsystem zu bringen“.

Meloni ist der Liebling der Anti-Migranten-Kräfte in ganz Europa, weil sie die irregulären Einwanderung nach Italien im letzten Jahr um mehr als 60 Prozent reduziert hat. Dies wurde in erster Linie dadurch erreicht, dass die Regierungen Tunesiens und Libyens dafür bezahlt wurden, als Europas Grenztruppen außer Sichtweite zu fungieren. Diese Regime setzen im Auftrag der Europäer routinemäßig Gewalt, darunter Folter und Mord, sowie Entführung und Lösegeldzahlungen, willkürliche Inhaftierung und sogar Sklaverei ein, um zu verhindern, dass verzweifelte Menschen Europa erreichen. Tausende, die sich auf riskante Routen begeben haben, um diesem Schicksal zu entgehen, sind in der Sahelzone und der Sahara gestorben oder im Mittelmeer ertrunken.

Während seines Besuchs in Italien versprach Starmer, im Rahmen des so genannten Rom-Prozesses 4 Millionen Pfund zu dem Projekt beizusteuern. Er lobte die „bemerkenswerten Fortschritte“, die Meloni in der „vorgelagerten Arbeit“ gemacht habe, einschließlich der „Zusammenarbeit mit Ländern entlang der Migrationsrouten“.

Die Misshandlungen derjenigen, die Italien erreichen, sind ausführlich dokumentiert worden, zuletzt von Amnesty International. Die Organisation veröffentlichte im Juli dieses Jahres einen Bericht, in dem es heißt:

Im Laufe der Jahre haben Anwälte, Nichtregierungsorganisationen sowie nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen ihre Besorgnis darüber geäußert, dass das Inhaftierungssystem nicht mit internationalem Recht und internationalen Standards vereinbar ist, auch was die Verhältnismäßigkeit der Inhaftierung und die Notwendigkeit menschenwürdiger Haftbedingungen betrifft.

Trotzdem wurde das System der migrationsbezogenen Verwaltungshaft nicht im Hinblick auf einen besseren Schutz der Menschenrechte reformiert. Stattdessen hat die italienische Regierung ab 2023 die Inhaftierung von Asylbewerbern und Migranten ausgeweitet, unter anderem durch die Planung des Baus neuer Haftzentren für die Rückführung, die Verlängerung der maximalen Haftzeiten und die Einführung von Maßnahmen, die darauf abzielen, „Grenzverfahren“ auf Asylbewerber aus „sicheren Ländern“ anzuwenden.

Das letzte Glied in Italiens Anti-Migranten-Politik ist das neue Fünf-Jahres-Abkommen mit Albanien. Demnach wird das Balkanland 3.000 Asylbewerber, die von der italienischen Küstenwache aufgegriffen werden, in zwei Lagern auf albanischem Territorium aufnehmen, während ihre Anträge bearbeitet werden. Organisationen, die sich für das Recht auf Asyl einsetzen, warnen, dass die Operation die Möglichkeiten der Migranten, internationalen Schutz zu beantragen, ernsthaft beeinträchtigen wird.

Starmer bezeichnete sich selbst als „sehr interessiert“ an dieser Regelung. Auf die Frage, ob er „mit jedem Aspekt des [italienischen] Ansatzes bei den Menschenrechten zufrieden“ sei, antwortete Starmer:

Wir sind in erster Linie Pragmatiker. Wenn wir eine Herausforderung sehen, diskutieren wir mit unseren Freunden und Verbündeten über die verschiedenen Ansätze, die verfolgt werden, und schauen, was funktioniert, und das ist der Ansatz, den wir heute gewählt haben. Und es war ein sehr produktiver Tag.

Wie schmutzig die ganze Angelegenheit ist, wurde durch zwei Ereignisse in eben diesen Tagen unterstrichen: Acht weitere Menschen sind im Ärmelkanal zwischen Großbritannien und Frankreich getrunken - nachdem 12 Menschen, darunter sechs Kinder, bei einem anderen Vorfall weniger als zwei Wochen zuvor ums Leben gekommen waren - und die Enkelin des faschistischen Diktators Mussolini, Rachele, ist aus Melonis Partei Fratelli d‘Italia nach 20 Jahren Mitgliedschaft ausgetreten, da diese zu extreme Beschränkungen für die Staatsbürgerschaft von Migrantenkindern vorsehe.

Starmer konnte die Führung der Labour Party übernehmen dank Jeremy Corbyns Weigerung, die Blairisten aus der Partei zu vertreiben. Sein Wahlkampf wurde von allen pseudolinken Gruppen Großbritanniens unterstützt. Er hat nun erneut bestätigt, dass die Agenda seiner Regierung darin besteht, den Marsch nach rechts nahtlos fortzusetzen, den die Vorgängerregierung der konservativen Tories eingeschlagen hatte. Er macht stets deutlich, dass die Kritik der Labour Party gegen das Ruanda-Abschiebungsprogramm der Tories auf dessen Ineffizienz beruhte. Starmer betont dabei, dass ein härterer Grenzschutz und schnellere Abschiebungen die bessere Lösung wären. Jetzt scheint er beides zu wollen, wobei Albanien oder ein anderes Land an die Stelle von Ruanda treten soll.

Starmers Besuch erinnert an den Besuch des ehemaligen Premierministers Rishi Sunak vor weniger als einem Jahr. Die World Socialist Web Site kommentierte damals: „Da die kapitalistischen Parteien in ganz Europa der Arbeiterklasse kein soziales Programm anzubieten haben, versuchen sie Wähler zu gewinnen, indem sie den ausländerfeindlichen Nationalismus der faschistischen Rechten schüren.“

Die politische Färbung der Regierung ist praktisch irrelevant, da das gesamte Spektrum der offiziellen Politik immer weiter nach rechts rückt. Starmer ist nur der jüngste sozialdemokratische Politiker, der Melonis Gastfreundschaft genießt, nach dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez und gleich mehrfachen Besuchen des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz. An dem Tag, an dem der Labour-Chef an der Seite von Meloni sprach, begann die deutsche Regierung mit neuen Grenzkontrollen an allen Landgrenzen - eine migrationsfeindliche Politik, welche die Freizügigkeit nach dem Schengener Abkommen konterkariert. Deutsche Regierungsvertreter haben auch darüber diskutiert, das von Großbritannien aufgegebene Abschiebungsprogramm nach Ruanda zu nutzen.

Der Vorsitzende des rechtsextremen französischen Rassemblement National Jordan Bardella antwortete kürzlich auf die Frage, warum die Partei nicht mehr auf einen Austritt Frankreichs aus der Europäischen Union drängt: „Man verlässt den Tisch nicht, wenn man das Spiel gewinnt.“

Für die traditionellen Regierungsparteien in Europa, ob rechts oder nominell links, gibt es nur eine Bedingung, damit sie die extreme Rechte herzlich umarmen: Sie müssen die Nato im Krieg in der Ukraine unterstützen. Und auch hier hat Meloni, die zuerst von Sunak und jetzt von Starmer umworben wurde, die Führung übernommen.

Sie war eine der ersten führenden internationalen Politikerinnen, mit denen Starmer ein Gespräch per Telefon gesucht hat. In einer Mitteilung der Downing Street hieß es, die beiden seien sich „einig über die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit bei gemeinsamen Herausforderungen wie der Migration und der Unterstützung der Ukraine“. Einige Tage später, am 9. und 10. Juli, vereinbarten sie ein Treffen auf dem Nato-Gipfel.

Auf dem Treffen der European Political Community gut eine Woche später, das dieses Jahr von Großbritannien ausgerichtet wurde, gab die Labour-Regierung Meloni einen Ehrenplatz: Sie durfte eine Sondersitzung zum Thema illegale Einwanderung leiten, an der auch Starmer teilnahm und der albanische Regierungschef Edi Rama. Zum Abschluss des Gipfels sagte Starmer, dass „die Neuausrichtung unserer Herangehensweise“ in Bezug auf „illegale Migration ... heute im Mittelpunkt stand“. Und weiter: „Wir werden unsere Grenzen sichern.“

Am vergangenen Wochenende reiste Starmer nach Washington, um mit US-Präsident Joe Biden die nächsten Schritte im Krieg gegen Russland zu erörtern. Er machte dabei erneut deutlich, dass sein Besuch in Rom wegen der Rolle Italiens „als führendes Land in Europa, auf der Weltbühne, als G7-Wirtschaftsmacht und als Nato-Verbündeter“ so wichtig sei. Er dankte Meloni ausdrücklich „für Ihre starke Führungsrolle, insbesondere in der Ukraine“, und sagte zu, man würde „so lange wie nötig Seite an Seite zusammenarbeiten“.

Auf die Frage nach der Genehmigung von Angriffen mit Nato-Waffen auf russisches Territorium winkten beide ab, betonten aber, dass es keinen Rückzug bei der Unterstützung der Ukraine geben dürfe und dass die Frage „diskutiert“ worden sei. Bloomberg berichtet, dass Starmer Italiens „Unterstützung für einen Vorschlag sucht, der es Kiew erlaubt, nicht-amerikanische Langstreckenwaffen gegen Russland einzusetzen“.

Italien hat der Ukraine bisher direkte Militärhilfe in Höhe von 1 bis 2 Milliarden Dollar geleistet. Großbritannien hat rund 7,6 Milliarden Pfund zur Verfügung gestellt, wobei sich Starmer verpflichtet hat, künftig 3 Milliarden Pfund pro Jahr bereitzustellen. Während des Besuchs von Starmer in Rom kündigte das italienische Verteidigungs-, Luft- und Raumfahrt- und Sicherheitsunternehmen Leonardo unter anderem eine Investition in Höhe von 435 Millionen Pfund in seinen britischen Standort Yeovil sowie in Forschung und Entwicklung an sieben weiteren Standorten in Großbritannien an.

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