Massive Abfuhr an die IAM-Bürokratie: Boeing-Arbeiter stimmen eindeutig gegen Ausverkauf

Am Donnerstag haben die Boeing-Arbeiter einen Tarifvertrag, der von der Führung der International Association of Machinists (IAM) unterstützt wurde, mit überwältigender Mehrheit abgelehnt und für einen sofortigen Streik gestimmt. Die Arbeiter des riesigen Flugzeugbauers sollten ab Mitternacht in den Werken in Washington und Oregon die Arbeit niederlegen. Der Streik, an dem sich 32.000 Arbeiter beteiligen, wäre der erste bei Boeing seit dem achtwöchigen Streik im Jahr 2008.

Boeing-Arbeiter in Everett (Washington) bei der Abstimmung über den Tarifvertrag am 12. September 2024

Laut der offiziellen Zählung haben 94,6 Prozent der Arbeiter gegen den von der IAM unterstützten Deal und 96 Prozent für einen Streik gestimmt. Das Ergebnis ist eine massive Abfuhr für die IAM-Bürokratie und die Biden/Harris-Regierung, die eng mit der IAM-Führung zusammengearbeitet hat, um einen Ausstand bei einem der wichtigsten amerikanischen Luft- und Raumfahrt- und Rüstungskonzerne zu verhindern.

Die Revolte ist Teil einer wachsenden Bewegung der Arbeiterklasse in den USA und der Welt mit dem Ziel, die grundlegenden sozialen Rechte der Arbeiter zu verteidigen und Widerstand gegen den Niedergang des Lebensstandards bei massivem Anstieg der sozialen Ungleichheit zu leisten.

In der Abstimmung zeigt sich die Empörung über den massiven Verlust von Realeinkommen, den Arbeiter in den letzten zwölf Jahren erlitten haben, weil die IAM-Bürokratie ihre Tarifverträge immer wieder verlängert hat. Junge Arbeiter, deren Stundenlöhne teilweise unter 20 Dollar liegen, können davon die stark ansteigenden Mieten nicht mehr bezahlen – vor allem Seattle gehört zu den teuersten Metropolregionen des Landes.

Das Angebot eines Tarifvertrags mit vierjähriger Laufzeit, das von den Gewerkschaftsbürokraten unterstützt wird, sieht eine beleidigend niedrige Lohnerhöhung von nur 25 Prozent sowie die Abschaffung des jährlichen Bonusprogramms AMPP (Aerospace Machinists Performance Program) vor, was einer faktischen Lohnsenkung von sechzehn Prozent über die Dauer des Tarifvertrags gleichkommt. Der Deal ignorierte auch die Forderungen der Arbeiter nach der Wiedereinführung von Betriebsrenten.

Daneben enthält das Abkommen Schlupflöcher, die „in Notfällen“ Überstunden vorsehen. Es führt eine Probezeit ein, während der neue Arbeiter jederzeit entlassen werden können; und Boeing gibt ein wertloses Versprechen ab, einen neuen Flugzeugtyp zu bauen, der während der Laufzeit des Vertrags noch nicht einmal entwickelt wäre.

Die Führung der IAM versuchte, den Streik zu verhindern, indem sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Autorisierung eines weiteren Streiks forderte, obwohl bereits im Juli 99,9 Prozent für Streik gestimmt hatten. Dieser schmutzige Trick scheiterte jedoch, da die Arbeiter aller Werke fast einstimmig für den Ausstand stimmten.

Die Arbeiter achteten den ganzen Donnerstag über auf Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung; sie erinnerten sich daran, wie die IAM im Jahr 2014 eine zweijährige Verlängerung des Tarifvertrags durchgesetzt hatte, in der neu eingestellten Arbeitern die Renten gestrichen wurden. Arbeiter erklärten den Reportern der WSWS, nachdem 2014 der erste Entwurf des Tarifvertrags abgelehnt worden war, habe die IAM erneut abstimmen lassen, als viele Arbeiter im Urlaub waren. Danach hatte sie angekündigt, der Deal sei mit 51 zu 49 Prozent angenommen worden, wogegen es zahlreiche Betrugsvorwürfe gab.

Am Abend vor der Abstimmung verbreitete das Boeing Workers Rank-and-File Committee eine Erklärung, in der es die Arbeiter aufrief, den Tarifvertrag abzulehnen und den Kampf in die eigene Hand zu nehmen.

In der Erklärung hieß es u.a.:

Dass die IAM-Funktionäre es wagen, uns diesen Tarifvertrag vorzulegen, kommt einem Eingeständnis gleich, dass sie – einschließlich des Präsidenten von Ortsverband 751 Jon Holden – nicht uns repräsentieren, sondern Boeing.

Die Gewerkschaftsfunktionäre helfen Boeing, die Kosten ihrer Krise auf uns abzuwälzen. Aber wir sind nicht verantwortlich für die rücksichtslosen Kostensenkungsmaßnahmen, die hunderte von Todesopfern gefordert haben. Wir sind stolz auf unsere Arbeit und nehmen die Sicherheit ernst. Wir weigern uns, für das kriminelle Verhalten der Vorstände und Aktionäre von Boeing zu zahlen!

An den Wahllokalen kam es am Donnerstag zu zahlreichen Widerstandsäußerungen; Arbeiter des riesigen Werks in Everett (Washington) trugen selbstgemachte Schilder und T-Shirts, auf denen zur Abstimmung mit „Nein“ und zum Streik aufgerufen wurde. Ein typisches Beispiel dafür war ein Schild mit der Aufschrift „Keine Renten, keine Flugzeuge“.

Arbeiter erscheinen zur Abstimmung in Everett

Ein langjähriger Arbeiter des Werks in Everett (Washington), der seine Kollegen zum Streik aufrief, erklärte den Reportern der WSWS: „Ich habe gehört, dass sich einige unserer Kollegen kein Essen leisten können und zur Tafel müssen. Warum eigentlich? Dieser Konzern macht Riesengewinne. Wir sind also jeden Tag hier, sechs bis sieben Tage die Woche, zehn bis zwölf Stunden, opfern unser Leben für diesen Konzern. Sie haben Milliarden verschleudert, um ihre Aktienkurse künstlich aufzublähen, aber uns können sie nicht bezahlen.

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„Am meisten machen wir uns um die jungen Arbeiter Sorgen. Es ist wichtig, dass sie die gleichen Zusatzleistungen haben wie wir, oder sogar mehr. Sie sind unsere Nachfolger, sie werden in 25 Jahren hier sein und Flugzeuge bauen, wenn wir weg sind. Sie sollten Krankenversicherung für ihre Kinder bekommen, wenn sie welche haben. Ansonsten wird es keine Zukunft geben, und es wird genauso sein wie bei allen anderen Konzernen, die ihre Arbeiter wie Sklaven behandeln.“

Sein Kollege erklärte: „Unser Tarifvertrag wurde seit 2008 dreimal verlängert, und jedesmal hat man uns dabei etwas weggenommen. Ich arbeite seit achtzehn Jahren bei Boeing. Ich bin hier für eine Rente ab dem zehnten Jahr. Wir wurden dazu erpresst, unsere Renten aufzugeben und einprozentige Erhöhungen pro Jahr zu akzeptieren. Ich stecke fast 40 Prozent meines Lohns in eine Aktienrente, und jeder weiß, dass das Geld nicht sicher ist. Wenn die Börsen abstürzen, verliert man massenweise Geld.“

Ein anderer Arbeiter wies die Forderungen des Unternehmens zurück, die Arbeiter müssten Opfer für das kriminelle Verhalten von Unternehmensvorständen bringen, die in den Jahren 2018 und 2019 zum Absturz von zwei 737-Max-Flugzeugen, und einem Vorfall bei einem ähnlichen Flugzeug der Alaskan Airlines im Januar 2024 geführt hatte, bei dem eine Tür abgefallen war.

„Die Entscheidungen des Managements waren für diese Todesfälle verantwortlich. Dann haben sie den Wert des Unternehmens durch Aktienrückkäufe aufgeblasen, und dafür Boni erhalten. Damit haben sie dem Unternehmen mindestens 150 Milliarden Dollar gestohlen, und jetzt beschweren sie sich über die 60 Milliarden Dollar Schulden. Sie wollen die Leute, die die Flugzeuge von Hand bauen, niederschlagen und sie zwingen, dafür zu bezahlen. Niemals!“

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Ein anderer Arbeiter fügte hinzu: „Jedesmal wenn wir über einen Tarifvertrag verhandeln, nimmt uns Boeing mehr weg und gibt uns nichts zurück. Jetzt wollen sie behaupten, dass sie uns nicht bezahlen können, weil sie 60 Milliarden Schulden haben. Aber als sie Geld hatten und Rekordprofite gemacht haben, drohten sie mit Abwanderung. Man kann sich also darauf verlassen, dass Boeing nie das Richtige tut, wenn es sich in einer guten Lage befindet. Wir tragen täglich unsere Haut zu Markte und arbeiten mit Nietpistolen und Bohrern. Karpaltunnelsyndrom ist heute ein sehr weit verbreitetes Problem, neben ausgerenkten Gelenken und Gehörschäden.“

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Der unablässige Angriff auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der Arbeiter wird von Kamala Harris und den Demokraten ebenso unterstützt wie von Donald Trump und den Republikanern. Beide unterstützen Boeing, einen wichtigen Rüstungskonzern, der Kampfflugzeuge und Raketen für die weltweiten Kriege liefert, mit denen der US-Imperialismus seine globale Vorherrschaft durchsetzen will.

Im Gegensatz zu den beiden Parteien des Großkapitals veröffentlichte der Vizepräsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, Jerry White, eine Erklärung, in der er die Rebellion der Boeing-Arbeiter unterstützte, und reiste nach Everett (Washington), um während der Abstimmung über den Ausverkauf mit den Arbeitern zu diskutieren.

Der Vizepräsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party Jerry White mit Boeing-Arbeitern in Everett (Washington)

White erklärte in einer Botschaft an die Arbeiter:

Der Kampf bei Boeing ist Teil einer wachsenden Bewegung der Arbeiterklasse gegen ein ganzes Gesellschaftssystem – den Kapitalismus. Dieser ist ein Ausbeutungssystem, in dem der Reichtum, der durch die gemeinschaftliche Leistung der Arbeiter produziert wird, von einer Handvoll Oligarchen, die alles besitzen, in Beschlag genommen wird. Die Arbeiter müssen sich der Diktatur der herrschenden Eliten widersetzen und für ihre eigene Macht kämpfen.

Ein Kampf bei Boeing, einem strategisch wichtigen US-Rüstungskonzern und Exporteur, wird die Arbeiter überall ermutigen. Boeing-Arbeiter müssen an die Arbeiterklasse in den USA und der ganzen Welt appellieren, einschließlich der 50.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Washington, die am Dienstag gestreikt haben, der 45.000 Hafenarbeiter, deren Tarifvertrag diesen Monat ausläuft, der streikenden Ölraffineriearbeiter in Detroit, der Autoarbeiter und vieler anderer.

Die Arbeiterklasse kämpft überall gegen die gleichen Probleme: den Niedergang ihres Lebensstandards durch Inflation und Entlassungen in Folge von Automatisierung. Sie kämpft für ihre sozialen Rechte auf einen angemessen Arbeitsplatz, sichere Arbeitsbedingungen und genug Freizeit für ihre Familien. Diese Rechte werden von den Kapitalisten ständig verletzt.

Angesichts des Rechtsrucks des gesamten politischen Establishments in Amerika, darunter einer „Wahl“ zwischen dem Faschisten Trump und der Kriegstreiberin Harris, könnte der Boeing-Streik zum Katalysator für eine industrielle und politische Gegenoffensive der Arbeiterklasse gegen Ungleichheit, Krieg und Diktatur werden.

Der Kampf darf jedoch nicht der IAM-Bürokratie überlassen bleiben. Die Gewerkschaftsfunktionäre werden zweifellos behaupten, sie hätten ihre Mitglieder „laut und deutlich gehört“ und würden einen besseren Tarifvertrag aushandeln. Verschiedene Demokraten werden die Arbeiter mit falschem Lob überschütten, wie sie es letztes Jahr während des Tarifkampfs in der Autoindustrie und dem Ausverkauf des UAW-Apparats getan hatten.

Doch hinter den Kulissen werden die Gewerkschaftsbürokratie und beide Parteien des Großkapitals zusammenarbeiten, um die Arbeiter zu schwächen und zu zwingen, den bis auf einige kosmetische Korrekturen gleichen Deal anzunehmen.

Das Boeing Workers Rank-and-File Committe warnte:

Der erste Schritt ist es, diesen Tarifvertrag abzulehnen. Aber wir müssen die Angelegenheit in die eigenen Hände nehmen. Wir dürfen keine Zeit mit Wunschdenken verschwenden, ein ,Nein' würde die IAM-Bürokraten ,zwingen', uns anzuhören. Sie werden sich nicht überzeugen lassen, weil sie auf der anderen Seite stehen.

Das Komitee forderte, den Arbeitern ab dem ersten Tag das volle Streikgeld aus dem 300 Millionen Dollar schweren Vermögen der IAM zu zahlen. Es forderte die Arbeiter auf, sich mit Arbeitern aus anderen Branchen in Verbindung zu setzen und „unseren Kampf in eine Bewegung der ganzen Arbeiterklasse“ zu verwandeln, da „alle vor den gleichen Problemen stehen wie wir.“

Weiter erklärte es, neben den Arbeitern in den USA sollten die Boeing-Arbeiter auch weltweit Unterstützung mobilisieren, z.B. unter Airbus-Arbeitern in Europa, die von ähnlichen Angriffen bedroht sind.

Um euch mit dem Aktionskomitee in Verbindung zu setzen, schickt eine SMS an +1 (406) 414-7648 oder per E-Mail an boeingworkersrfc@gmail.com, oder füllt das Formular am Ende des Artikels aus.

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